Die Renaissance des seriellen Bauens

Die Renaissance des seriellen Bauens


 

Immobilien

Mit standardisiertem Wohnungsbau, der intelligent soziale und ökologische Aspekte verbindet, reagieren Immobilien entwickler zunehmend auf die wachsende Wohnraumknappheit. Gut kalkuliert bieten solche Projekte Gewinnpotenzial.

Auch während des Bauhaus-Jahres 2019 erfreute sich ein Architekturkonzept wachsender Beliebtheit, das in der Vergangenheit mangels qualitativer Umsetzung in Verruf (Stichwort „Plattenbau“) und fast in Vergessenheit geraten war: der seriell geplante Modulbau von zweckmäßigen Wohnimmobilien in innerstädtischen Lagen. „Eine standardisierte Bauweise muss keine minderwertige Massenware sein, wie die vielen Negativbeispiele aus den 1970er und 1980er Jahren. Durch die Berücksichtigung von Qualitätsstandards von Materialien und bei der Emissionsreduktion und Energieeffizienz können solche Immobilien zu nachhaltigen Investitionsobjekten werden“, sagt Duy Ton, Senior Portfoliomanager ESG von Union Investment. Der Bedarf für solche Objekte dürfte im Hinblick auf die Klimaschutzpläne der Bundesregierung wachsen, wenn man bedenkt, dass direkte und indirekte Emissionen von Gebäuden sich weltweit zu 20 Prozent des Treibhausgasausstoßes summieren.

                                   60%

                         Im Vergleich zum Massivbau spart der Modulbau bis zu 60 Prozent der Bauzeit.

Neue Konzepte für bezahlbaren und nachhaltigen Wohnraum

Ob als Punkthäuser, im Reihenverbund, als Blockrandbebauung oder als Laubenganghäuser: Diese in Serie geplanten und erstellten Gebäude können sich in ganz unterschiedlichen Größen in die verbliebenen innerstädtischen Flächen einfügen. Sie bieten dabei mehrere Vorteile: Zum einen übernehmen sie eine soziale Funktion, da sie in den oft von Wohnungsknappheit betroffenen Innenstadtlagen als Mietimmobilien relativ kurzfristig neuen bezahlbaren Wohnraum schaffen. Investoren bieten solche seriellen Entwicklungsprojekte  in Ballungszentren angesichts der spürbaren Renditekompression im Wohnimmobiliensegment eine Möglichkeit, in Objekte zu investieren, die noch Ertrags- und Wertsteigerungspotenzial haben. Voraussetzung dafür ist jedoch neben der Lage auch die Qualität und ein möglichst hoher Nachhaltigkeitsstandard der Gebäude. Dazu zählt etwa die Verwendung einer Wärmedämmung der Fassaden nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV), von Wärmedämmverbundsystemen, von Fenstern aus Wärmeschutzglas und der Einbau klimafreundlicher Heizungssysteme. Von vorneherein mitgedacht, sparen solche Maßnahmen auch später eventuell aus Gründen der Klimaschutzregulierung notwendige Sanierungsmaßnahmen. Zudem vermindert sich für Investoren das Risiko, Abschläge bei Mieten und Verkauf hinzunehmen, weil die Objekte nicht mehr den aktuellen Klimaschutzanforderungen entsprechen.

Modulare Neubauten in Frankfurt am Main. Vielerorts wird inzwischen auf diese Weise innerstädtischer Wohnraum intelligent, qualitativ und wirtschaftlich verdichtet.
Modulare Neubauten in Frankfurt am Main. Vielerorts wird inzwischen auf diese Weise innerstädtischer Wohnraum intelligent, qualitativ und wirtschaftlich verdichtet.

Wohnimmobilienentwickler spezialisieren sich

In zunehmendem Maße entstehen in deutschen Innenstädten solche innovativen Lösungen, die sowohl Erschwinglichkeit als auch soziale und ökologische Aspekte miteinander verbinden. Zu den Entwicklern zählt zum Beispiel Vonovia, ein börsengelistetes Unternehmen, das ursprünglich ein klassischer Wohnungsverwalter war und zuletzt durch den Kauf der österreichischen BUWOG AG in großem Maßstab in die Wohnraumentwicklung eingestiegen ist. Ein weiterer Player ist die Essener Instone Real Estate, ein reiner Entwickler ohne Verwaltungsabsichten. Vonovia genauso wie Instone planen, in Zukunft vor allem das serielle und modulare Bauen unter Berücksichtigung der allgemeinen Erschwinglichkeit auszubauen.

Vonovia sieht ein Potenzial von rund 35.000 seriell geplanten modularen Einheiten, welches in den kommenden Jahren über die Schließung von Baulücken, Nachverdichtung oder Aufstockung realisiert werden könnte. Damit ergeben sich neue Chancen, um die Innenstädte weiter zu verdichten und in dem ansonsten hochpreisigen Immobiliensektor noch zu wachsen. Besonders attraktiv sind beim modularen Bauen, neben den geringen Kosten und dem damit einhergehen den hohen Grad an Bezahlbarkeit, auch die ökologischen Aspekte des hergestellten Wohnraums. „Gleichzeitig steht der Umsatzanteil, den die Neubauaktivität am Mietwachstum der Vonovia einnimmt, erst am Anfang einer in unseren Augen langfristigeren Entwicklung“, prognostiziert Duy Ton. „Ein höherer Beitrag von ‚Neuentwicklungen‘ könnte den auch durch regulatorischen Druck bedingten Rückgang von ‚Marktgetrieben‘ und ‚Modernisierung‘ kompensieren und so zukünftiges Gewinnwachstum sichern.“

Im Gespräch mit Stephanie Baden, Executive Director ULI Germany/Austria/Switzerland

Union Investment fragt nach

Frau Baden, ULI hat unlängst einen Research Report zu bezahlbarem Wohnen speziell im mittleren Preissegment auf europäischer Ebene veröffentlicht.  Welchen Stellenwert nimmt serielles Bauen hier ein?

Wir haben das Thema im breiteren Spektrum der Modern Methods of Construction (MMC) betrachtet, ein Zukunftsthema, das Chancen für die Wohnraumproduktion und die Wertschöpfung verbindet. Im speziellen Fall der Wohnraumversorgung für Mittelverdiener kann serielles Bauen eine unterstützende Komponente sein, hierbei sind die Verfügbarkeit von Bauland oder bestehendes (Erb-)Baurecht und die Bodenpreise die grundlegenden Faktoren. Nichtsdestotrotz kann das Verfahren dank der ökologischen und ökonomischen Vorteile im Bereich der Wohnraumschaffung wirkungsvoll eingesetzt werden.

Was sind die größten Risiken und Chancen für Wohnimmobilieninvestoren in diesem Bereich?

Zunächst müssen die Vorproduktionsstätten errichtet werden und wirtschaftlich laufen, zudem muss Expertise in der Planung von seriellen Projekten aufgebaut werden; das sind gewagte Investitionen, die hier eine gewisse wirtschaftliche Schwelle aufbauen und sich erst über die Zeit auszahlen. Doch sollte sich dieses Verfahren weiter positiv entwickeln, sind vor allem die Geschwindigkeit, in der Projekte fertiggestellt werden und damit rasch Cashflow generieren können und die ressourcenschonende Produktion qualitativ hochwertiger Bauteile die augenscheinlichsten Vorteile.

Wie wird sich dieser Bereich des nachhaltigen Bauens in Zukunft entwickeln?

Wir wünschen uns natürlich positive Effekte hinsichtlich des Stadtraums und beobachten gespannt, ob auch Mixed-Use-Projekte, die öffentliche Nutzungen integrieren, in dieser Bauweise realisiert werden. Wir hoffen, dass bei steigendem Marktanteil durch die industrielle Fertigung und die serielle Montage nicht das Wissen um das Bauhandwerk vernachlässigt wird. Auf der anderen Seite  eröffnen neuartige Produktionsweisen Innovationen in Technologie und Projektentwicklung.

 

#ULI

Das mitgliedergeführte Urban Land Institute (ULI) wurde 1936 in Washington, D. C. als gemeinnützige Forschungs- und Bildungsorganisation gegründet. Heute ist das ULI eines der aktivsten Netzwerke der Branche, ein weltweiter Thinktank, um gemeinsam und interdisziplinär städtische Entwicklungspotenziale zu diskutieren und zu heben.

 

ESG als Antwort auf niedrige Renditen

In dem ansonsten in vielen Lagen bereits überhitzten Immobilienmarkt bietet der standardisierte serielle Wohnungsbau in Innenstadt lagen Chancen, um in dieses Segment noch zu einem realistischen Preis mit Ertragspotenzial einzusteigen. Werden die ESG, vor allem die ökologischen und sozialen Aspekte, von Entwicklern und Architekten beim Bau beachtet und integriert, hebt dies die Qualität, die Lebensdauer und das Wertsteigerungspotenzial solcher Objekte. Der in jüngerer Zeit zu verzeichnende höhere Anteil solcher Neuentwicklungen am Mietwachstum legt aber auch nahe, dass andere Wohnimmobilienunternehmen ohne entsprechende strategische Positionierung Gefahr laufen, weiter unter Druck zu geraten. Insgesamt sehen wir daher in einem Umfeld niedriger Renditen und Mietpreisregulierung künftig handfeste Chancen im Entwicklungsbereich für Wohnimmobilien sowohl in finanzieller als auch in sozialer wie ökologischer Hinsicht.

Duy Ton

Duy Ton

Senior Portfoliomanager ESG von Union Investment

Stand aller Informationen, Darstellungen und Erläuterungen:
10. Juni 2020, soweit nicht anders angegeben.

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