Plastikmüll als Investitionschance
Ein Jahr ist es her, dass China den Import von Kunststoff-, Papier- und Feststoffabfällen aus dem Ausland eingestellt hat. Über die Folgen der Plastikwende für die Wirtschaft haben wir mit Duy Ton aus der Abteilung ESG, Capital Markets & Stewardship im Portfoliomanagement gesprochen.
Im Februar 2018 ist Chinas National-Sword-Programm in Kraft getreten. Für 24 Abfallarten gilt seitdem dem ein Importverbot. Inwiefern verändert das unseren Umgang mit Plastik?
Es gab in den vergangenen Jahren eine Reihe an Maßnahmen, die seitens der Politik initiiert wurden, sei es nun das Importverbot Chinas oder die erhöhten Recyclingquoten, die die Europäische Union zuletzt festgelegt hat. Einen veränderten Umgang mit Plastik sehen wir aber schon seit Längerem.
Woran liegt das?
Die Umweltverschmutzung durch Plastik ist, anders als etwa die durch Kohlenstoffdioxid, für jeden sichtbar. Die Bilder von Tieren, die an Müllresten verenden und dann an die Meeresstrände gespült werden, kennen inzwischen viele aus den Medien. Das emotionalisiert – und das sensibilisiert stark für die Dringlichkeit dieses Problems.

Wie reagieren die Unternehmen?
Unternehmen und Investoren fordern, in Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen, einen verantwortungsvolleren Umgang mit Plastik, insbesondere was den Gebrauch von Single-Use-Plastik,
wie Einweggeschirr oder Wattestäbchen, angeht.
Das ist leicht gesagt. In welchen konkreten Maßnahmen schlägt sich das nieder?
Ich unterscheide da zwischen Unternehmen, die Plastikmüll verursachen, und solchen, die Lösungen anbieten. Bei Ersteren gibt es einige, die sehr proaktiv sind, Plastikmüll zu vermeiden, um einerseits den Verbrauchern entgegenzukommen und andererseits ihr Image zu verbessern. Adidas will beispielsweise künftig alle Textilien aus wiederverwertetem Kunststoff herstellen. Starbucks will auf Strohhalme verzichten. Andere Unternehmen wie Pepsi, Nestlé und Danone setzen auf umweltfreundlichere Verpackungen. Wenn ich im Supermarkt am Wochenende mein Pfand zurückbringe, stehe ich häufig lange an. Auch da muss sich beispielsweise etwas tun.
Reduce, reuse, recycle? Kunststoff und Kunststoffrecycling
2017 wurden weltweit 348 Millionen Tonnen Plastik produziert. Zum Vergleich: 1950 waren es 1,7 Millionen Tonnen. Der Erfolg des Kunststoffes ist einfach zu erklären: Plastik ist leicht, günstig, formbar und vielseitig einsetzbar. Allerdings hält Plastik auch eine Ewigkeit, eine Angelschnur braucht etwa 600 Jahre, bis sie im Meer abgebaut wird, eine Plastikflasche 450 Jahre. Dabei löst sich das Plastik nur in kleinere, kaum sichtbare Teile auf, sogenanntes Mikroplastik, und kann chemische Substanzen freisetzen. Der Recyclinganteil zur erneuten Kunststoffproduktion beträgt in Deutschland 5,6 Prozent.
Reicht das denn? Bräuchte es nicht auch Alternativen zu Plastik?
Ja, um die Verschmutzung der Ozeane einzudämmen, braucht es auf der anderen Seite auch Unternehmen, die an biologisch abbaubaren Materialien forschen. Ich denke da etwa an das Chemieunternehmen Covestro oder den Verpackungshersteller Stora Enso aus Finnland. Aber wir dürfen Plastik auch nicht per se verteufeln. Ein Auto, in dem Plastik verbaut ist, ist automatisch auch leichter und verbraucht so weniger Energie. Plastik ist zudem ein sehr hygienischer Stoff und kommt häufig in Krankenhäusern und Operationssälen zum Einsatz, was Patienten zugutekommt.
Vor Chinas Importstopp stand es um die Recyclingbranche eher mau. Jetzt hat auch die EU die Recyclingquote erhöht. Ändert sich jetzt etwas hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit der Branche?
Von der erhöhten Recyclingquote profitiert die Entsorgungsindustrie sicher hinsichtlich eines zunehmenden Auftragsvolumens. Aber das bringt auch Herausforderungen mit sich. Das saubere Trennen und Recycling von Plastik ist je nach Beschaffenheit und Verarbeitung des Plastiks sehr schwierig. Es gibt spezialisierte Unternehmen, die gezielt nach besseren Recyclingmethoden suchen, wie etwa Tomra. Das ist ein norwegisches Unternehmen, das Leergutrücknahmeautomaten und Sortieranlagen herstellt

Aus solchen Entwicklungen ergeben sich doch sicher auch interessante Investitionsmöglichkeiten für das Portfoliomanagement.
Natürlich sind das für uns potenziell interessante Unternehmen. Einige der Unternehmen sind aber im Mittelstand und so klein, dass sie gar nicht gelistet sind. Fehlt der Zugang über den Kapitalmarkt, weil ein Unternehmen gar nicht im MDAX oder dergleichen ist, wird es für uns schwer, zu investieren. Ein anderer Weg ist, dass wir als nachhaltiger Investor direkt mit großen Unternehmen sprechen, die sich gezielt an den Endverbraucher richten. Der ist in Deutschland schließlich mit Abstand der größte Müllproduzent.
Mit welchen Unternehmen sprechen Sie da beispielsweise?
Im vergangenen Jahr haben wir Gespräche mit Henkel, Adidas oder Zalando geführt. Die meisten Unternehmen zeigen sich für so einen konstruktiven Dialog sehr offen. Denn wer das Thema Plastik nicht ernst nimmt, kann durchaus langfristig Gefahr laufen, wirtschaftliche und wettbewerbstechnische Nachteile davonzutragen. Henkel etwa hat das erkannt und verkauft keine Kosmetikartikel mehr mit Peeling-Partikeln, die sonst später nur als Mikroplastik in verschiedene Gewässer gelangen.
Das Thema Plastik spielt im Portfoliomanagement eine große Rolle. Insbesondere aus Nachhaltigkeitssicht ist es ein Schwerpunktthema im Engagement-Prozess, also im konstruktiven Dialog mit Unternehmen, in die Union Investment investiert.
Gesprochen wurde unter anderem mit Zalando, McDonald's, Darden, und Adidas über die Reduktion von Plastikmüll, mit Covestro, Henkel, Evonik, Novozymes, BASF und Stora Enso über die Erforschung alternativer Materialien und mit Tomra über die Verbesserung des Recyclingsystems.
Und wie wird es langfristig weitergehen? Zur Diskussion steht, Unternehmen als Produzenten von Verpackungsmüll stärker zur Verantwortung zu ziehen.
Das würde das Problem mit dem Plastikmüll vermutlich aber nur bedingt lösen. Ein Zukunftsszenario könnte sein, dass der Müll gar nicht mehr auf der Müllkippe landet. Alles, was in die Tonne geht, geht direkt im Anschluss zu einem Recyclingunternehmen zur Wiederverwertung. Müll ist immerhin ein wertvoller Rohstoff, auf den wir in einer Welt mit immer knapper werdenden Ressourcen langfristig schlichtweg nicht mehr verzichten können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Plastik in der Diskussion: Was an Kunststoff ist gesundheitsschädlich?
Plastik zersetzt sich in immer kleinere Stücke, die theoretisch eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen werden können. Diese winzigen Partikel können etwa vom Abrieb durch Reifen, den Einsatz von Mikroperlen in Kosmetika oder von synthetischen Fasern aus Plastik kommen. Was dann im Körper mit dem Plastik passiert, weiß bisher niemand genau. Bei einigen Meerestieren wurde beobachtet, dass sich solche Partikel im Gehirn oder in der Leber anreichern. In der Kritik stehen auch Additive – Plastik enthält häufig chemische Zusätze. Sie können in höherer Konzentration Tumore oder Entwicklungsstörungen auslösen.

Duy Ton (39), CFA, ist Portfoliomanager in der Abteilung ESG, Capital Markets & Stewardship. Zuvor arbeitete der gelernte Bankkaufmann bei der Volksbank Bonn. An der Universität Frankfurt und in Southampton absolvierte Ton ein Studium der Betriebswirtschaftslehre.
Hinweis: Die Nennung von Einzeltiteln und Unternehmen dient ausschließlich der Illustration und stellt keine Kauf- oder Verkaufsempfehlung der Titel da. Die genannten Unternehmen müssen nicht Bestandteil der Portfolien von Union Investment sein. Einschätzungen können sich ändern und das Unternehmen kann auf Veränderungen bereits reagiert haben.