
Nachhaltigkeit im Depot A
Die EU formuliert derzeit Regeln für nachhaltiges Investieren. Die Fondsbranche als bedeutende Kapitalsammelstelle spielt dabei eine Schlüsselrolle. Was bedeutet das für die fondsbasierte Eigenanlage von Genossenschaftsbanken?

Ein Beitrag von Bernhard Kraus, Geschäftsführer von Union Investment Institutional
Kurz gefasst
- Nachhaltigkeit wird auch für Genossenschaftsbanken zur Pflicht
- Ab dem 1. Juli 2022 tritt die Offenlegungsverordnung (SFDR) mit dem Level II für die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel in Kraft
- Bis dahin müssen Banken auch über ihre Eigenanlagen in Publikums- und Spezialfonds im Depot A auskunftsfähig sein
- Union Investment stellt für die eigenen nachhaltigen Fonds in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) seit mehreren Monaten die Weichen, damit die Taxonomie ab Sommer 2022 vollumfänglich beachtet werden kann
Nachhaltigkeit ist zu einem Megatrend in der Finanzbranche geworden. Fahrt aufgenommen hat das Thema seit dem Pariser Klimaabkommen (2015), durch den EU-Aktionsplan (2018 – Finanzierung nachhaltigen Wachstums) und die EU-Taxonomie (2020 – Kriterien zur Bestimmung, welche Wirtschaftstätigkeiten ökologisch nachhaltig sind). Diese Dynamik spüren auch die Genossenschaftsbanken deutlich. Den Beitrag des eigenen Kerngeschäfts, unter anderem zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs), messbar zu machen ist eine enorme Herausforderung für viele. Auch für die eigenen Fondsanlagen ergeben sich neue Anforderungen aus dem EU-Aktionsplan und der EU-Taxonomie.
Die Taxonomie, die von der EU-Kommission in Brüssel momentan in Bezug auf den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel ausformuliert wird, versucht, klare Standards zu definieren, was ökologisch nachhaltig ist. Die Standards gelten bei Banken im Hinblick auf Kunden, Kreditnehmer und Emittenten. Somit erhalten auch institutionelle Anleger und Asset Manager klare Vorgaben, was bei den Fondsinvestitionsabläufen unter Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen ist. Für Asset Manager sind dies etwa maßgebliche Parameter bei Unternehmensdaten, die vor der Titelselektion geprüft werden müssen. Die Beachtung der durch die Taxonomie vorgegebenen Standards wird spätestens bei der Offenlegung überprüft.
Neue Transparenzpflichten
Den gesetzlichen Rahmen hierfür gibt die Offenlegungsverordnung (SFDR) vor, die institutionelle Anleger und Vermögensverwalter zu Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit verpflichtet. Ab dem 1. Juli 2022 wird diese Verordnung mit dem Level II für die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel wirksam. Bis dahin müssen Banken auch über ihre Eigenanlagen in Publikums- und Spezialfonds im Depot A auskunftsfähig sein. Das bedeutet zum Beispiel angeben zu können, welche SFDR-Kategorie der Spezialfonds erfüllen soll. „Falls für den Fonds diese Anforderungen nicht belegbar sind, hat das gegebenenfalls Anpassungen des Investitionsprozesses zur Folge“, sagt Dr. Henrik Pontzen, Abteilungsleiter ESG im Portfoliomanagement bei Union Investment.
In der Folge interessieren sich Banken verstärkt dafür, wie viel Nachhaltigkeit ihrer eigenen Portfolios im Depot A steckt. Im Falle des genossenschaftlichen Verbunds können sie dabei auf die Unterstützung ihrer Verbundpartner zurückgreifen. So stellt Union Investment für die eigenen nachhaltigen Fonds in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) seit mehreren Monaten die Weichen, damit die Taxonomie ab Sommer 2022 vollumfänglich beachtet werden kann (lesen Sie hierzu auch unser anschließendes IP-Bankenspezial-Panel mit BVR-Vorstandsmitglied Gerhard Hofmann sowie mit Alexander Schindler und Bernhard Kraus).
Der Zeitplan der Offenlegungsverordnung und Taxonomie gibt uns noch Zeit für die weitere Analyse
Erst im Juli 2022 werden weitere Transparenzpflichten in Kraft treten
Nächste Schritte
Ein Meilenstein für Union Investment wie für die gesamte Asset-Management-Branche ist dabei die im Laufe dieses Jahres zu erwartende Veröffentlichung der technischen Regulierungsstandards (RTS) zur Berücksichtigung der ESG-Risiken und-Faktoren. Diese dann formulierten Standards sind die Grundlage für die Umsetzung der Transparenzpflicht nach der SFDR-Offenlegungsverordnung. Mit der Veröffentlichung kann ein Prozess starten, dessen Ziel es ist, anhand standardisierter Berichtsformate mit einem umfangreichen Set von Nachhaltigkeitsindikatoren für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater einen adäquaten Ansatz zur technischen Umsetzung der ESG-Integration zu finden. „Bis die SFDR am 1. Juli 2022 mit der Taxonomie in Kraft tritt, bleiben noch rund neun Monate, die wir auch für die Banken im Verbund nutzen werden, um die Umsetzung der neuen EU-Standards für nachhaltiges Investieren in der Eigenanlage termingerecht sicherzustellen“, sagt Dr. Pontzen.
„Langfristig wird alles nachhaltig sein müssen“
Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. (BVR) als Träger des Sicherungssystems für die genossenschaftlichen Banken und Union Investment unterstützen gemeinsam die Verbundbanken auf dem Weg zur Umstellung auf Nachhaltigkeit. Wie weit ist man bereits gekommen, und welche Ziele werden dabei verfolgt? Diesen Fragen widmet sich ein digitales IP-Bankenspezial-Panel mit BVR-Vorstand Gerhard Hofmann, Union Investment Vorstandsmitglied Alexander Schindler und Union Investment Institutional Geschäftsführer Bernhard Kraus.
Zum IP-Bankenspezial-Panel
Herr Hofmann, wie ist das Thema Nachhaltigkeit in der Strategie des BVR und der genossenschaftlichen Banken verankert?
Gerhard Hofmann: Nachhaltigkeit ist ein Zukunftsthema, das wir chancenorientiert besetzen wollen. Es gibt gerade auch von Genossenschaftsbanken bereits viele Einzelmaßnahmen in dieser Richtung. Aber was wir brauchen, ist eine systematische Verankerung der Nachhaltigkeit in der Geschäftsstrategie und eine konsistente Umsetzung, um Ineffizienzen und Überlappungen zu vermeiden. Und dazu hat der BVR Anfang des Jahres 2021 ein großes Paket von Unterstützungsleistungen bereitgestellt, angefangen bei einem Nachhaltigkeitsleitbild, das in der genossenschaftlichen FinanzGruppe mit allen relevanten Kräften entwickelt wurde, über eine Nachhaltigkeitslandkarte, die zeigt, wo und wie die Themen überall besetzt sind, bis hin zu unserem Nachhaltigkeits-Cockpit, das eine eigene Bewertung der Bank ermöglicht. Wichtig ist auch eine überzeugende Kommunikation etwa auf den Internetauftritten der Banken. Hierbei hat der BVR die Verankerung von Nachhaltigkeit fachlich und inhaltlich betreut.
Wir wollen nicht abwarten, bis die Regulatoren, die Politik oder die Öffentlichkeit uns auffordern, Nachhaltigkeit nachzuweisen, sondern ich denke, in dieser Aufbruchphase stecken viele Wachstumschancen, die wir auch nutzen sollten. Schon heute kann ich sagen, dass die Impulse, die wir ausgesendet haben, in hohem Umfang aufgegriffen wurden. Wir waren selbst ein bisschen überrascht. Mehr als die Hälfte der Banken hat mit der Umsetzung begonnen, und wir bekommen sehr viel positives Feedback dafür. Unser Claim „Morgen kann kommen“ spiegelt ebenfalls diesen positiven Nachhaltigkeitsgedanken.

Herr Schindler, welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit für Sie als Asset Manager?
Alexander Schindler: Also, für uns haben die drei Buchstaben E, S und G eine elementare Bedeutung. Die sogenannte ESG-Integration, also uns mit ökologischen Veränderungen, sozialen Kriterien und mit Governance-Aspekten in der Kapitalanlage auseinanderzusetzen, ist inzwischen ein Hygienefaktor für uns Vermögensverwalter. Wir setzen das Thema konsequent um und haben auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen implementiert, die eine echte Integration in den Investmentprozess gewährleisten.
Die Umstellung auf Nachhaltigkeit – und damit meinen wir nicht die ESG-Integration – ist jedoch ein längerer und vielschichtiger Prozess, der eigentlich immer mit der Frage beginnt: Was soll das Zielbild der Kapitalanlage sein? Hier ergänzt Nachhaltigkeit das traditionelle magische Dreieck der Geldanlage um eine vierte Zieldimension. Was sind die Restriktionen, die ich für meine Kapitalanlagen brauche oder haben möchte? Und wie schaffe ich das? Hinzu kommen die regulatorische Erfüllung des EU Action Plan und die klimaschützende Transformation der Volkswirtschaften in Europa, aber im Grunde auch global im Asset Management.
Der Gesetzgeber will, dass privates Kapital diese Transformation maßgeblich bestimmt, weil die Staaten das allein nicht bewerkstelligen können. Vieles liegt dabei noch im Ungewissen, so etwa der Zugang zu verlässlichen Daten bezüglich der Taxonomiekonformität von Unternehmen und ihren Aktivitäten. Nur wenn wir das genau wissen, können wir darauf aufsetzen, unsere Anlagen entsprechend strukturieren und entsprechende Informationen unserer Fonds offenlegen.

Gerhard Hofmann: Da kann ich Ihnen nur zustimmen, Herr Schindler. Um Nachhaltigkeit in einer Bank oder im Asset Management Realität werden zu lassen, bedarf es ganz unterschiedlicher Dinge. Wir brauchen vor allem eine Kultur im Unternehmen, die geeignet ist, das zu bewerkstelligen. Wir brauchen eine Strategie, die eine langfristige Orientierung gibt. Wir brauchen Nachhaltigkeitsdaten, wie Sie sagen. Wir brauchen eine Technologie, um die Daten auszuwerten. Wir brauchen auch die richtigen Menschen, die Nachhaltigkeit verstehen, aber dann auch bereit sind, ihr Wissen weiterzutragen und zur Umsetzung zu bringen. Das geht alles nicht von heute auf morgen. Wir brauchen am Ende auch Zeit. Die Nachhaltigkeitsagenada wird uns nicht nur Jahre, sondern wohl Jahrzehnte beschäftigen.
Alexander Schindler: Da sprechen Sie einen ganz entscheidenden Punkt an, Herr Hofmann. Und insofern gilt an dieser Stelle mein Dank ganz bewusst auch den Genossenschaftsbanken. Denn letzten Endes waren es Genossenschaftsbanken, in diesem Fall Kirchenbanken, die uns bereits im Jahre 1990 aufgefordert haben, für die Angestellten der kirchlichen Einrichtungen in Deutschland Fondsprodukte aufzulegen, die aus damaliger Sicht die theologisch ethischen Standards erfüllten. Daraus ist dann im Laufe von drei Jahrzehnten bei uns im Hause eine Expertise gewachsen, die wir massiv in die Breite entwickeln konnten. In den ersten etwa 25 Jahren hat das Thema fast ausschließlich institutionelle Investoren interessiert, die sich darin engagiert haben.
Neben dem Aufbau von Datenbanken und von Expertise war auch der Überzeugungsaufbau im eigenen Unternehmen wichtig. Es hat viele Gespräche gebraucht mit Primärbanken auf der einen Seite, aber auch mit den sogenannten NGOs, die sich dieser Thematik verschrieben haben. Und was mich besonders freut, ist eben, dass wir in den vergangenen zwei, drei Jahren auch ein massives Interesse seitens der Privatanleger spüren, die ja von den Primärbanken betreut und beraten werden. Und heute sind bereits über 70 Prozent der Absätze in unseren Publikumsfonds nachhaltig. Das heißt, im Thema Nachhaltigkeit steckt ein ganz starkes Bewusstsein, sowohl bei den Banken mit Blick auf die Beratung der Privatanleger als natürlich auch bei den Privatanlegern selbst.
Wir haben in den vergangenen Jahren auch im institutionellen Bereich eine erhebliche Dynamik erlebt und verwalten heute dort nach strengen ESG-Kriterien gut 74 Milliarden Euro. Ich bin zuversichtlich, dass wir das in den nächsten Jahren, wenn nicht sogar Monaten, in Richtung 100 Prozent unserer Assets von aktuell 435 Milliarden Euro ausweiten werden.
Gerhard Hofmann: Das ist in der Tat eine beeindruckende Wachstumsstory. Herr Kraus, lassen Sie uns noch einmal zurückkommen zur Eigenanlage. Wie kann Union Investment die Institute in der Eigenanlage unterstützen?
Bernhard Kraus: Auch hier standen am Anfang die Idee und unsere Mitwirkung an den Vorbereitungsarbeiten. So haben wir an dem von Ihnen erwähnten BVR-Strategieprojekt für das Thema Nachhaltigkeit aktiv mitgearbeitet. Zum Beispiel in den Arbeitsgruppen zum Thema Kapitalanlage, aber auch zum Thema Risikomessung, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Deswegen arbeiten wir da auch sehr intensiv mit der Atruvia und der ParcIT zusammen, um ein Risikomodell zu entwickeln, das Nachhaltigkeitsrisiken messbar macht. Dabei geht es zunächst um Klimarisiken, bei denen die Regulatorik aktuell ein Stück weit der Taktgeber ist. Das ist eine Riesenherausforderung. Inzwischen können wir zwar den CO2-Fußabdruck von verschiedenen Unternehmen und auch von Staaten messen. Aber es bleibt immer die Frage: Sind es die richtigen Daten? Wie aktuell sind sie? Lassen sich die Daten sinnvoll in ein geeignetes Risikomaß übersetzen? Welche nachhaltigen Aspekte haben überhaupt einen Einfluss auf das Risikoprofil? Wie kann man das Ganze aufbauen?
Das ist die vorbereitende Seite. Auf der strategischen Seite geht es darum, dass die Bank erst einmal die Grundsatzentscheidung treffen muss: „Ja, ich möchte auf Nachhaltigkeit umstellen und ich möchte es entsprechend gestalten.“ Und das wird dann im Dialog mit dem Institut diskutiert, und die besonderen Spezifika werden geprüft, die vielleicht auch über die klassischen Lösungen hinaus wichtig sind. Hierfür gibt es den sehr guten Leitfaden vom BVR, der ein hervorragender Rahmen ist, um eine Richtung zu finden. Wir bieten Banken seitens Union Investments Ergänzungen, wo wir aufzeigen, wie unser Nachhaltigkeitsverständnis ist und wie wir das anhand des BVR-Leitfadens umsetzen.
Dabei ist sehr wichtig, dass die Nachhaltigkeitsstrategie der Anlage im Einklang mit dem Kreditgeschäft steht. Wir können uns schließlich nicht mit ultrastrengen Regelungen in der Kapitalanlage kasteien, die dann, wenn man ins Kreditgeschäft einer Bank schaut, widersprüchlich sind.
Erst dann analysieren wir gemeinsam mit den Risikocontrollern und den Treasurern der Bank das Portfolio der Eigenanlagen und können so in einer Erstanalyse über unsere Tools, die wir hier zur Verfügung haben, einen Status ermitteln. Das heißt, zunächst müssen ein Anspruch und ein Zielbild definiert sein, wie man in der Nachhaltigkeit aufgestellt sein möchte. Sie kennen das von den Eigenanlagen der BVR-Sicherungseinrichtung. Dann wird eine Art Nachhaltigkeitsinventur gemacht, um abzugleichen, wie viele von den Kapitalanlagen und den unterschiedlichen Assets bereits nach diesen Kriterien gemanagt sind. Und an welchen Stellen Schrauben gedreht werden müssen, um das Ganze noch besser zu machen. Das ist vor allem ein Prozessthema. Denn es ist nicht so, dass Sie das einmal festlegen, umstellen, und dann läuft es. Das ist eher ein Weg. Diese Umstellung wird Zeit in Anspruch nehmen. Aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass die meisten Banken bei der Nachhaltigkeitsanalyse, ohne dass sie sich dazu strategisch positioniert haben, heute schon bei 75 bis 80 Prozent in Erfüllung liegen.

Gerhard Hofmann: Woran liegt das?
Bernhard Kraus: Das liegt mit Sicherheit daran, dass die Verbundbanken ja generell eine relativ konservative Kapitalanlagestrategie verfolgen, die auch von einem hohen verantwortungsvollen ethischen Verständnis geprägt ist. Auch ohne dass Nachhaltigkeit darübersteht, sind bestimmte Dinge, die Finanzinstitute jetzt als besonders nachhaltig hervorheben, schon implementiert. Ob man nicht in kontroversen Rüstungsgütern investiert oder ob man sich aus der Förderung und Verstromung von Kohle verabschiedet. Viele dieser Dinge sind in unseren Standardprodukten bereits ausgeschlossen. Deswegen fällt es genossenschaftlichen Banken leichter, den nächsten Schritt zu gehen und das Ganze noch einmal weiter zu optimieren.
Gerhard Hofmann: Das eine ist der Wille, auf Nachhaltigkeit umzustellen, und das andere ist es, nachhaltige Investitionsmöglichkeiten zu schaffen, die möglichst viele Strategien und Assetklassen berücksichtigen und die auch die Voraussetzungen dafür schaffen, die wie immer geartete Eigenanlage umzustellen. Wie ist Ihnen das gelungen?
Bernhard Kraus: Wir kommen da aus einer Welt, wo wir angefangen haben, quasi den ersten nachhaltigen Unternehmensanleihefonds, den ersten nachhaltigen Aktienfonds und die ersten nachhaltigen Emerging-Markets-Fonds aufzulegen. Inzwischen haben wir das Ziel, alle Produkte, die wir für die Eigenanlage anbieten, nachhaltig auszurichten. Ergo wollen wir die noch nicht nachhaltigen Produkte sukzessive eliminieren. Wir haben diesen Prozess vor etwa fünf bis sechs Jahren begonnen, als die ersten nicht kirchlichen Banken auf Nachhaltigkeit umstellten. Seit etwa zwei Jahren spüren wir hierbei eine gewachsene Dynamik. Um die Jahreswende 2020/21 waren etwa 20 Prozent unserer Mandate schon beinahe zu 100 Prozent auf eine nachhaltige Eigenanlage umgestellt. In diesem Jahr sind wir noch einmal mit großen Schritten vorangegangen, rund 32 Prozent der Mandate, die wir verwalten dürfen, sind zum Großteil umgestellt. Ich denke, je mehr wir für Investitionsmöglichkeiten sorgen, die es heute noch nicht als Nachhaltigkeitsprodukte gibt, umso leichter wird es den Banken fallen, mit uns gemeinsam diesen Weg zu gehen.
Gerhard Hofmann: Wie gehen Sie weiter vor?
Bernhard Kraus: Ja, also wir haben jetzt ein gutes Drittel der Wegstrecke schon erreicht. Wir wollen das nächste Drittel noch in diesem Jahr schaffen. Deswegen gehen wir aktuell sehr intensiv in die Gespräche. Auf jeder Herbst-Anlageausschusssitzung mit jeder genossenschaftlichen Bank, bei der wir ein Mandat haben – und es sind über 400 Spezialfonds-Mandate –, werden wir das Thema auf der Tagesordnung haben. Schon im Vorfeld haben wir von vielen Banken gespiegelt bekommen, dass sie sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen wollen. In meinen Augen gehört zu einer nachhaltig aufgestellten Bank neben einer entsprechenden Geschäftsstrategie auch eine nachhaltige Eigenanlage einfach dazu. Grundsätzlich hat das für jedes genossenschaftliche Bankinstitut eine Bedeutung. Und deswegen sehen wir die Umstellung auf eine nachhaltige Eigenanlage ganz klar in unserer Verantwortung. Das aktiv zu begleiten, hierfür die Lösungen anzubieten und für die nötigen Hilfestellungen zu sorgen. Aus der Gesamtbanksicht erfordert dies auch eine Begleitung durch die regionalen Prüfungsverbände und durch die Beratungseinheiten der DZ Bank. Aber sobald es in die konkrete Umsetzung der Eigenanlage geht, insbesondere bei Assetmanagement Lösungen, sehen wir das als unsere Aufgabe. Viele sagen, wir seien auf dem richtigen Weg. Es gibt auch einige, die sagen, wir können da noch mehr machen. Wir stehen auf jeden Fall noch vor großen Herausforderungen. Herr Schindler hat das Thema Daten angesprochen: Die richtigen lizenzierten Daten zu bekommen ist eine Herausforderung. Viele Datenprovider erkennen darin natürlich eine riesige Geschäftschance. Gemeinsam mit der DZ Bank und der Atruvia wollen wir daher eine Verbundlizenz verhandeln, damit nicht jede Bank separat für die Daten zahlen muss. Wir würden gerne in der genossenschaftlichen FinanzGruppe so eine Art Großhändlerfunktion übernehmen, die als Teil unserer Leistung wahrgenommen wird.
Gerhard Hofmann: Ich kann Sie nur ermutigen, diesen Weg entschlossen weiterzugehen. Denn letztlich – ohne das jetzt als Drohpotenzial darstellen zu wollen – werden wir natürlich auch beobachtet. Wir stehen unter einer Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, unserer Kunden, unserer Mitglieder, auch der Aufsicht und der Politik. Ich glaube, es wäre fatal, wenn wir einerseits bei dem nachhaltigen Fondsabsatz in der Union Investment Gruppe große Erfolge haben, aber dann in der Eigenanlage nicht nachziehen.
Daneben gibt es auch regulatorische Gründe. Denn ab 2022 müssen die Banken erhöhte Anforderungen im Bereich Regulierung/Reporting erfüllen. Und ab 2024, was ja auch nicht mehr so weit entfernt liegt, ist die sogenannte Green Asset Ratio zu berichten, also der Anteil der grünen Aktiva an den gesamten Aktiva. Das zeigt deutlich, wo die Entwicklungsrichtung hingeht. Die Anforderungen dürften im Zeitablauf noch steigen. Und natürlich wäre es völlig unsinnig, wenn jede einzelne Bank etwa Datenlizenzen erwerben müsste, um Nachhaltigkeitsinformationen verfügbar zu machen. Ich glaube, hier sollte Union Investment eine zentrale Rolle für alle Primärinstitute und für den gesamten Verbund spielen. Das wäre eine gute Initiative. Jede Genossenschaftsbank sollte ihren eigenen Weg finden, aber dabei das Marktumfeld sowie Regulierung und Politik im Blick behalten.
Meines Erachtens gibt es kein Zurück. Der Weg geht eindeutig in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Langfristig, das haben Sie ja beide auch gesagt, wird alles nachhaltig sein müssen. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange es dauern wird. Zögern wäre hier fehl am Platz. Derjenige, der zu lange wartet, wird die Marktchancen nicht nutzen können. Und ich glaube, je früher man die Dinge umsetzt, desto größer wird der Erfolg mit Nachhaltigkeit sein.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
22. Oktober 2021, soweit nicht anders angegeben.