
Asset Manager auf Champions League-Niveau
Seit 1987 begleitet Alexander Schindler die Asset-Management-Branche. Seit 2004 prägt er sie und die Geschicke von Union Investment maßgeblich als Vorstandsmitglied. Im März 2022 nutzte Bernhard Kraus für die IP Bankenspezial die Gelegenheit, mit dem scheidenden Vorstand noch einmal in die Vergangenheit und in die Zukunft zu schauen.

Herr Schindler, Sie haben rund 35 Jahre das Asset Management begleitet und mitgeprägt. Was sind für Sie die wichtigsten Entwicklungen, wenn Sie die Branche von damals und heute vergleichen?
Wenn ich mir die aktuellen geopolitischen Spannungen ansehe und natürlich auch deren Auswirkungen auf die Kapitalmärkte, fühle ich mich stark erinnert an das Jahr 1987, als ich meine Laufbahn im Asset Management begann. Damals überraschte der Oktober Crash an den Kapitalmärkten viele Prognostiker. Wenn ich heute die Zeit seitdem Revue passieren lasse, dann muss ich schon sagen, dass die Kapitalmärkte wesentlich robuster geworden sind. Das liegt zum Teil am Instrumentarium, wie etwa dem Einsatz von Derivaten und einer Vielzahl weiterer Instrumente, die wir heute zur Verfügung haben. Deutlich professioneller geworden ist auch die zeitnahe und weltweite Informationsversorgung für Anleger.
Was waren in diesen 35 Jahren die wichtigsten Meilensteine in Bezug auf die Eigenanlage von Banken?
1987 war die Anlage der Banken noch sehr konzentriert auf festverzinsliche Anleihen, meistens Bundesanleihen. Die wurden überwiegend bis zur Fälligkeit gehalten, dann wurde reinvestiert. Die Kapitalanlage spielte für die Banken damals eine untergeordnete Rolle. Das hat sich im Laufe der Zeit vollkommen verändert. Ich würde sagen, mit der Ausweitung der Anlagekategorien haben die Banken sich professionalisiert, was die Kapitalanlage betrifft. Denken wir allein an die durch MaRisk begonnene Einführung unterschiedlicher Risikomanagementmethoden und deren Weiterentwicklung. Das hat dann nach der Finanzkrise von 2008 noch einmal einen richtigen Schub bekommen.
Ein weiterer Punkt ist natürlich, dass wir seit dem Jahr 2000 im Grunde fallende Zinsen bis hin zu einem Negativzinsumfeld gesehen haben. Das hat dazu geführt, dass die Banken gezwungen waren, in höherverzinslichen Anlagen zu investieren, aber auch in Aktien und in alternativen Investments. So haben die Banken auch wesentlich mehr Know-how aufgebaut im Management dieser Anlagekategorien. Aber es wurde auch verstärkt mit Asset Managern wie Union Investment zusammengearbeitet.

Alexander Schindler, Jahrgang 1957, war 18 Jahre lang Mitglied des Vorstands der Union Asset Management Holding AG. In dieser Position verantwortete der gelernte Bankkaufmann und Volljurist das institutionelle Kundengeschäft, die Bereiche Recht und Compliance, Investment Controlling sowie die internationalen Geschäftsaktivitäten. Bevor er in den Vorstand von Union Investment berufen wurde, war Schindler von 1987 bis 2003 in verschiedenen leitenden Funktionen für das Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie KGaA und für die Commerzbank AG tätig.
Über seine aktive Verbandsarbeit (unter anderem bei EFAMA, ESMA und BVI) und bei etlichen weiteren Anlässen prägte Alexander Schindler als Netzwerker, Brückenbauer und Moderator den Stil von Union Investment. Unter anderem fungierte Schindler über 16 Jahre lang als geschätzter Gastgeber der Risikomanagement-Konferenzen von Union Investment.
Alexander Schindler wechselte Ende März 2022 in den Ruhestand. Die Nachfolge wird der bisherige Union Investment Institutional Geschäftsführer André Haagmann antreten.
Die Taxonomie und die Nachhaltigkeitskriterien sind aktuell auch für Banken zwei wichtige Themen. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Also, die Aufsicht hat in den vergangenen Jahren schon sehr viel getan. Ich glaube, dass der politische Wille grundsätzlich der richtige ist. Insbesondere schwerpunktmäßig, was den Klimawandel betrifft, und hierbei eine Transformation der Volkswirtschaften zu begleiten, eben auch gerade durch privates Kapital. Damit ist auch die Asset Management-Branche aufgerufen, mit entsprechenden Konzepten diesen Anlegern zu dienen und gleichzeitig selbst entsprechend zu investieren. Das ist das politische Ziel. Der regulatorische Rahmen ist dagegen, um es ganz einfach auszudrücken, schlecht gemacht.
Wir haben mittlerweile enorme Anforderungen aufgrund der Taxonomie. Allein bei der CO2-Reduktion wissen wir alle, dass die dazu notwendigen Daten von Unternehmen aktuell nicht geschaffen werden können. Frühestens im Jahr 2026 werden wir wohl in der Lage sein, auch als Nutzer dieser Informationen entsprechend zu investieren. Oder denken Sie an die soziale Taxonomie, für die es erst einen Vorschlag gibt. Es wird sich zeigen, ob man dem folgen kann. Ich habe da gewisse Bedenken aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen in Europa, wenn Sie an Themen wie Energieversorgung oder Militärhaushalt denken. Das bleibt also abzuwarten.
Was aber wirklich herausfordernd ist, ist, dass regulatorisch der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wurde. Es wurde uns gesagt, wie wir zu investieren haben. Damit wurde durch die Taxonomie der Rahmen geschaffen, aber die Grundlagen dafür sind noch gar nicht vorhanden, sodass wirkliche Nachhaltigkeitsinvestments fast unmöglich werden. Noch schwieriger wird das für die Banken, wenn es um die Nachhaltigkeitsabfrage nach MiFID geht. Denn auch dazu müssen sie ja erst mal überhaupt in der Lage sein, dem Privatanleger das alles anzubieten. Seien es Produkte, aber auch Informationen, die wir heute noch gar nicht haben. Das heißt, wir können zwar von Transformation sprechen und wir können als Asset Manager oder als Bank diese Transformation durch unsere Investitionen unterstützen. Die Regulierung
kennt allerdings das Thema Transformation nicht. Die Regulierung kennt nur braun oder grün. Wenn Sie heute nur in grünen Unternehmen investieren wollen, dann lassen Sie mich einfach einmal das Beispiel des MSCI Global nehmen. Dann können Sie maximal fünf Prozent der Marktkapitalisierung dieses Index abbilden. Mehr nicht. Und das auf Jahre gesehen.

Sie haben in Ihrer Laufbahn zwei Kulturen kennengelernt, den privaten Bankensektor bei verschiedenen Institutionen und die Arbeit im genossenschaftlichen FinanzVerbund. Was unterscheidet in Ihren Augen Union Investment von anderen Adressen?
Für mich ist der genossenschaftliche FinanzVerbund und insbesondere Union Investment eine Kombination der Stärken, die ich im Privatbankenbereich kennengelernt habe. Wobei ich dort im Grunde zwei Kulturen erlebt habe. Ich war zunächst zwölf Jahre bei der Commerzbank in einem Bereich tätig, der für internationale Kunden zuständig war. Also wurde ich schon frühzeitig damit konfrontiert, zum Beispiel SEC-Anforderungen zu erfüllen. Aber ich musste dabei feststellen, dass in einem so großen Konzern, in dem man mehr oder weniger nur eine Abteilung war, alles getreu dem angelsächsischen Motto funktionierte: „I am from the head office, I am here to help you!“ Das heißt also eine gewisse Arroganz auch des Head Office, das meinte, den Filialen draußen vorgeben zu können, wie sie ihre Kunden zu betreuen haben. Ich glaube, das hat zum Teil auch dazu geführt, dass sich gerade der Großbankensektor in Deutschland nicht so positiv entwickelt hat wie in anderen europäischen Ländern.
Dann wechselte ich zu einem familiengeführten Bankhaus, zum Bankhaus Oppenheim, und stellte dort fest, was opportunistisches Handeln ist. Da wurde nämlich pragmatisch im Grunde jede Woche ein neues Thema adressiert, weil es einfach darum ging, auch kurzfristig den pekuniären Erfolg zu optimieren. Aber was ich sehr positiv gefunden habe, war eben dieses stark ausgeprägte unternehmerische Denken eines familiengeführten Unternehmens, das in der Großorganisation gar nicht vorhanden war. Ich glaube, dass der genossenschaftliche Sektor beides hat. Wir haben einerseits eine große Organisation, die aber geprägt ist von einer Vielzahl individueller Banken mit einer individuellen Bilanz und GuV und einer hohen Identifikation der Bank mit der lokalen Kundschaft, ob es nun Firmenkunden sind oder Privatkunden.
Aufgrund des regionalen Prinzips ist man in der Region stark verhaftet und kann nicht einfach weglaufen, sondern muss sich entsprechend darauf ausrichten. Und das überträgt sich natürlich auch auf die Verbundunternehmen und damit auch auf Union Investment. Hier im Hause habe ich erfahren, wie sehr dieser Gedanke vorhanden ist: Kümmere dich zuallererst um die Probleme, die Herausforderungen und die Sorgen oder Bedürfnisse deiner Kunden, dann wird automatisch auch dein eigenes Geschäftsmodell florieren. Und wenn man diesen ganzen Gedanken, verbunden mit dem Streben nach Profitabilität, weiterdenkt, kann aus dem Ganzen eine Erfolgsstory werden. Und das beweist für mich natürlich auch der Werdegang der Union Investment in den vergangenen 20 Jahren.

Jetzt haben wir über die vergangenen Jahre reflektiert, viel über Krisen gesprochen. Dennoch gab es sicher auch Themen, die eher freudige Ereignisse waren. Auf was blicken Sie besonders positiv zurück?
Als ich zu Union Investment gekommen bin, da haben wir mit dem Aufsichtsrat folgendes Motto geprägt und haben so eine Anleihe aus dem Fußballsport genommen. Wir haben gesagt: Wir wollen Union Investment in die Champions League führen, und zwar sowohl was die Qualität des Fondsmanagements für das Privatkundengeschäft betrifft als natürlich auch die des institutionellen Geschäfts. Das heißt, wir wollten in der ersten Liga europäischer Asset Manager dabei sein, um den Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden. Und ich muss ganz ehrlich sagen, gerade in diesen ersten Jahren des Aufbaus – man darf nicht vergessen, dass Union Investment in der heutigen Konstellation erst im Jahr 2000 geschaffen wurde – hat das dazu geführt, dass wir auch Widerstände überwinden mussten, weil wir das eine oder andere verändert haben. Aber wir haben natürlich auch dadurch die ersten Erfolge erzielt. Wir haben frühzeitig die Bedeutung des Themas Risikomanagement für unsere institutionellen Kunden erkannt. Und wenn man dann feststellt, dass so ein Thema greift, dass also die Kunden sagen: „Das ist genau das, was wir brauchen“, dann ist das für mich ein persönliches Erfolgserlebnis.
Was aber in all den Jahren das Beeindruckendste ist, und Sie haben auf die Krisen hingewiesen, ist, wie das Team Union Investment immer besser geworden ist, auch in der Bewältigung dieser Krisen. Also, ich vergleiche noch einmal mit dem Fußball. Nur wenn Sie permanent trainieren und wenn Sie sich an den Besten messen, dann werden Sie auch in der Lage sein, ganz oben mitzuspielen und Ihren Kunden auch beste Qualität und besten Service zu liefern. Und das ist uns insgesamt gelungen.
Ich glaube sowieso, dass man in Krisen mehr an Stärke gewinnt als in den ruhigen, positiven Zeiten, wo alles so leicht erscheint. Aber Volatilität ist unausweichlich. Nur wenn wir Volatilität haben, werden wir auch Erträge erzielen. Zu viel Volatilität wünschen wir uns allerdings auch nicht. Aber wir haben es immer geschafft, auch durch unsere Einbettung in den Verbund insgesamt, in diesen Phasen zu bestehen. Und wenn ich die regelmäßigen Feedbacks sehe von Kunden in Anlageausschusssitzungen oder in regelmäßigen Befragungen, kann ich feststellen, dass wir als Union Investment insgesamt permanent besser bewertet werden und heute im Grunde führend sind im institutionellen Asset Management in Deutschland und darüber hinaus. Es erfüllt mich mit Stolz und auch mit einer gewissen Zufriedenheit, dass wir das gemeinsam erreicht haben.
Da bleibt mir nur noch die letzte Frage: Was macht Alexander Schindler im Herbst 2022?
Ich muss sagen, der Kalender füllt sich erstaunlicherweise jetzt auch schon. Also, konkret im Herbst werde ich mit vier Freunden vor Kroatien segeln und ich bin sehr gespannt. Mit diesem Team segele ich schon seit acht Jahren. Aber wir haben uns bisher immer so im Bereich Sizilien, Sardinien aufgehalten und gehen jetzt das erste Mal nach Kroatien für eine Woche. Das wird hochinteressant, da gibt es spannende Winde.

Über die Nachhaltigkeit hinaus gibt es noch weitere regulatorische Themen, mit denen wir uns aktuell beschäftigen müssen. Sie waren als Volljurist nicht nur für Union Investment aktiv, sondern hatten in leitender Verbandsarbeit unter anderem bei EFAMA, ESMA und BVI eine besondere Nähe zu rechtlichen Fragen. Wie sehen Sie da die Entwicklungen?
Seit 2008 haben wir im Finanzsektor eine Flut von Regulierungen gesehen. Wenn Sie sich den gesamten Katalog von MaRisk oder die MiFID-Regulierung ansehen, ELTIF und so weiter – auch hier gilt für mich: gut gemeint, schlecht gemacht. Wir haben eine Reihe von Regulierungsinitiativen gesehen, die ausschließlich dem Verbraucherschutz dienen. Es ist aber aus meiner Sicht notwendig, dass die Aufsichtsorgane neben dem Verbraucherschutz und dem Funktionieren der Kapitalmärkte auch dafür Sorge tragen, dass das Kapital überhaupt entsprechend dem politischen Willen investiert werden kann. Wir brauchen also eine weitere Dimension und diesen Dreiklang. Da brauchen wir ein Umdenken. Das muss zuallererst bei den politischen Institutionen beginnen, das heißt im Europaparlament, in der EU-Kommission und natürlich dann auch bei den nationalen Regierungen.
Kommen wir zurück zur Geschäftsentwicklung. 18 Jahre Union Investment, eine wahnsinnige Erfolgsgeschichte, in der sich Union Investment als Gesellschaft, als Asset Management Holding entwickelt hat, aber wo sich auch unsere Kunden weiterentwickelt haben. Was sind da besondere Meilensteine?
Also, in der ersten Phase von 2004 bis etwa 2008 ging es insbesondere darum, gemeinsam mit unseren Banken die Kapitalanlage zu diversifizieren, zu verbreitern und auch, wie man so schön sagt, zu sophistizieren. Ich glaube, dass gerade in dieser Phase, in der das Niedrigzinsumfeld begann, die Banken erhebliches Know-how gewonnen haben und wir sehr gut beraten waren, uns selbst auch zu professionalisieren in der gesamten Wertschöpfungskette. Das heißt, nicht nur im Portfoliomanagement, sondern auch in der Kundenbetreuung bis hin zum Reporting ging es darum, die Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Da hat das gesamte Team bei Union Investment Hervorragendes geleistet. Dass ich diese Entwicklung begleiten durfte, erfüllt mich mit Stolz und Dankbarkeit. Wichtig für diesen Erfolg war die Fokussierung auf das, was für unsere Kunden wirklich wichtig ist, und dass wir es verstanden haben, als Organisation gemeinsam mit unseren Banken diesen Weg zu beschreiten. Wir haben uns dabei ähnlich wie in der Softwareindustrie mit einigen Banken, die frühzeitig dazu bereit waren, zusammengesetzt und haben Lösungen für deren Probleme entwickelt.
In der nächsten Phase von 2008 bis 2013 gab es viele Anforderungen bezüglich des täglichen Managements der Assets. Mit der Euro-Staatsschuldenkrise wurde dann von den Zentralbanken eine überbordende Liquidität in die Märkte gepumpt, was die Banken selbst unter einen unheimlichen Ergebnisdruck setzte. Denn das Zinsaufkommen schmolz plötzlich wie Schnee in der Sommersonne. Und die Notwendigkeit bestand ganz einfach, herauszugehen aus den zinstragenden Assetklassen hinein in Aktien, in Immobilien und in andere alternative Assets. Und das wiederum im Format eines Spezialfonds oder eines institutionellen Fonds einzubringen oder managen zu lassen, verbunden mit einem erstklassigen Risikomanagement und Reporting.
Wir haben uns frühzeitig auf das Thema Risikomanagement konzentriert und hier unsere Expertise weiterentwickelt, weil wir schon Anfang des Jahrtausends einen besonderen Bedarf bei den Banken erkannt haben. Das Reporting war natürlich für die Banken elementar, also die Fähigkeit, die Risikokennziffern aus den Spezialfonds und institutionellen Fonds direkt in das Bankreporting hineinzuliefern. Das war sicherlich einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für Union Investment, was das Wachstum der institutionellen Assets betraf, und hat sicherlich dementsprechend auch den Banken geholfen.