Wohin geht der Zins noch?

Wohin geht der Zins noch?

Auch wenn viele Unwägbarkeiten an den Rentenmärkten für Verunsicherung sorgen, könnte es sich lohnen, nicht vorschnell zu handeln und den Herausforderungen aktiv zu begegnen.

Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten bei Union Investment

 

 

 

Ein Beitrag von Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten bei Union Investment

Kurz gefasst

  • Anleger sehen sich an den Rentenmärkten mit fundamentalen Veränderungen konfrontiert.
  • Entscheidend wird für die Märkte kurz- und mittelfristig sein, wie die Notenbanken den Inflationsdruck einschätzen und wie dosiert sie in ihrer Zinspolitik vorgehen.
  • Mit einem weiteren Anstieg der Renditen bis Ende des Jahres wird gerechnet und danach mit einem Seitwärtstrend der Zinsen.
  • Auf mittlere Sicht erscheint ein Szenario wahrscheinlich, in dem sich die Inflation nach einer zähen Plateaubildung 2023 zurückbildet – in den USA schneller als in Europa.
  • Längerfristig werden sich Anleiheinvestoren daran gewöhnen müssen, dass über die aktuelle Krise hinaus Trends wirken, welche die Inflation dauerhaft erhöhen.
  • Mit dem Ende des „billigen Geldes“ dürften die Rentenmärkte wieder aussagekräftigere Preissignale aussenden, aber auch schwankungsanfälliger bleiben. Als Entschädigung dafür winken höhere Kupons und Chancen für eine aktive Anlagestrategie.

Anleger sehen sich an den Rentenmärkten mit fundamentalen Veränderungen konfrontiert. Nach beispiellosen Kursverlusten in der ersten Jahreshälfte sind die Anleihemärkte in einer Zwickmühle zwischen Inflations- und Rezessionssorgen – hinzu kommt hohe geopolitische Unsicherheit. Der durch Angebotsverknappung als Folge des Ukrainekriegs ausgelöste Energiepreisanstieg fordert die Notenbanken extrem heraus – in Europa mehr noch als in den USA. Der damit verbundenen Inflation lässt sich geldpolitisch wenig entgegenstellen. Aus Sorge vor Zweitrundeneffekten und einer „Entankerung“ der Inflationserwartungen legen die Währungshüter ihre Priorität aber auf die Eindämmung der Teuerung und folglich auf Zinserhöhungen. Dabei besteht das Risiko zeitlich verzögerter und (zu) starker Bremseffekte auf die Wirtschaft.

Entscheidend wird für die Märkte kurz- und mittelfristig sein, wie die Notenbanken den Inflationsdruck einschätzen und wie dosiert sie in ihrer Zinspolitik vorgehen. Das letzte Wort ist noch nicht gefallen. Zwar kam es von Mitte Juni bis Ende Juli 2022 bereits wieder zu einem deutlichen Rückgang der Marktrenditen. Auslöser war der kommunikative Schwenk der US-Notenbank hin zu einer ausgewogeneren Politik – konkret die von Jerome Powell, dem Präsidenten der Federal Reserve, auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid vom 15. Juni angekündigte Absage an Zinsschritte von 100 Basispunkten. Doch diese Erholung an den Rentenmärkten war nur von kurzer Dauer. In den USA hat die Inflation zwar ihren Höhepunkt überschritten, sie fällt jedoch nur sehr langsam. Im September hat die Federal Reserve deshalb unmissverständlich klargemacht, dass die Inflationsbekämpfung absolute Priorität hat. Sie hat die Leitzinsen darum weiter in einen nun restriktiv wirkenden Bereich angehoben. Die US-Wirtschaft dürfte deshalb 2023 nach Einschätzung unserer Volkswirte in eine leichte Rezession rutschen.

Weiter steigende Renditen

Unsere Experten erwarten aktuell einen Anstieg der Fed Funds Rate auf 4,25 bis 4,50 Prozent bis Ende des Jahres und danach einen Seitwärtstrend der Zinsen, aber keine Zinssenkungen im kommenden Jahr, obwohl diese von den Kapitalmärkten eingepreist sind. Daher sind insgesamt eher weiter leicht steigende Renditen wahrscheinlich.

Renditeerhöhend könnten sich auch der angestrebte Bilanzabbau der US-Notenbank, das Ende der Kaufprogramme durch die Europäische Zentralbank sowie der steigende Finanzierungsbedarf auf staatlicher Seite aufgrund von höheren Haushaltsdefiziten auswirken. Auch viele Unternehmen müssen neue Anleihen begeben, trotz deutlich gestiegener Primärmarktrenditen. Wir erwarten keinen „Credit Crunch“, aber Emittenten mit schwacher Kreditwürdigkeit dürften es im gegenwärtigen Umfeld schwerer haben. In der Titelauswahl bleibt darum die Risiko- und Bonitätskontrolle zentral.

Renditen auf einem Dekadenhoch

Renditen zehnjähriger Staatsanleihen

Quelle: Refinitiv, Union Investment. Stand: Ende September.

Schwierige Lage in Europa

Unsere Konjunkturaussichten sind für Europa deutlich pessimistischer als für die USA. Seit der erneuten Drosselung der russischen Gaslieferungen am 27. Juli haben wir einen massiven Anstieg der Erdgas- und Strompreise zu verzeichnen. Die jährliche Teuerungsrate der Verbraucherpreise hat bereits zehn Prozent erreicht und dürfte sich auf einige Monate auf einem ähnlich hohen Niveau bewegen. Die EZB dürfte trotz der bereits angeschlagenen Konjunktur im Euroraum kaum von ihrem Zinserhöhungspfad abweichen. Bis Ende des Jahres 2022 dürfte der Einlagensatz laut Einschätzung unserer Experten bei 2,00 Prozent liegen.

Das Spannungsfeld zwischen hoher Inflation, geldpolitischen Gegenmaßnahmen und Wachstumssorgen sollte so vorerst das Marktgeschehen weiter prägen – mit hoher Schwankungsintensität. Angesichts der Konjunkturrisiken bleiben dabei sichere Häfen wie US-Staatsanleihen oder Bundesanleihen unentbehrlicher Teil in einem Rentenportfolio, auch wenn die gestiegenen Renditen die Inflation weiterhin nicht voll kompensieren können. Unternehmensanleihen guter Bonität bieten, auch aufgrund der sehr hohen Swapspreads, eine attraktiv bewertete Alternative. Vorsichtiger sind wir angesichts der höheren Konjunkturrisiken gegenüber Euro-Peripherieanleihen, da die EZB als dominanter Käufer zumindest in Teilen wegfällt. Im Bereich der Schwellenländer sehen wir nur Chancen bei Schuldnern mit glaubwürdiger Wirtschafts- und Geldpolitik und hoher Kreditwürdigkeit. Wir favorisieren hier insbesondere Länder mit tragfähigen Leistungsbilanzsalden.

Höhepunkt zum Jahresende 2022 zu erwarten

Jährliche Inflationsrate

Quelle: Union Investment/Macrobond. Stand: September 2022.

Auf mittlere Sicht erscheint ein Szenario wahrscheinlich, in dem sich die Inflation nach einer zähen Plateaubildung 2023 zurückbildet – in den USA schneller als in Europa. Gestiegene Preise und eine restriktivere Geldpolitik wirken nachfragedämpfend, zudem verflachen sich die Effekte aus (zu) großzügigen Fiskalprogrammen in den USA. Durch Anpassungsleistungen der Wirtschaft sollte auch in Europa die Abhängigkeit von russischem Erdgas sinken. Hohe Ersatzkosten werden den Weg aber steinig machen. Die Inflation und damit die Zinsen dürften weltweit aus strukturellen Gründen höher als vor der Coronakrise bleiben. In der Kombination aus höheren Kupons und stärkerer Geldentwertung bleibt die Jagd nach Rendite nach Abzug der Inflation weiter bestimmend. 2023 könnte in dieser Hinsicht eine gewisse Markterholung bringen, wenn der Inflationsdruck abnimmt und sich die Konjunktur stabilisiert. Dadurch können sich auch bei Risikoanlagen neue Einstiegsgelegenheiten ergeben.

In einer dritten Phase – längerfristig – werden sich Anleiheinvestoren daran gewöhnen müssen, dass über die aktuelle Krise hinaus Trends wirken, welche die Inflation dauerhaft erhöhen. Die geopolitische Unsicherheit sowie damit verbunden Anpassungen und Neuordnungen in den Lieferketten aus strategischen Gründen führen weiter zu Preisdruck. In der Handelspolitik erleben wir eine neue geopolitische Blockbildung und den Abschied vom Ziel einer gemeinsamen Ordnung der Weltwirtschaft. Stärkere Unabhängigkeit und Resilienz werden durch niedrigeres Wachstum, anhaltende Knappheiten und höhere Preise erkauft.

Ebenfalls dürfte die politische Bereitschaft zu mehr Investitionen in den grünen Umbau der Wirtschaft und zur Eindämmung des Klimawandels zu höherem Investitionsbedarf und mehr Inflation führen. Längerfristig spricht dies für eine endgültige Abkehr von der Nullzinspolitik, für höhere Nominalzinsen und Renditen und geldpolitisch restriktivere Notenbanken. Die Rentenmärkte dürften mit weniger Notenbankunterstützung für die Gesamtwirtschaft wieder aussagekräftigere Preissignale aussenden, aber schwankungsanfälliger bleiben. Als Entschädigung dafür winken höhere Kupons und Chancen für eine aktive Anlagestrategie, die von einem tendenziell höheren Nominalwachstum der Wirtschaft und damit auch moderaten Ausfallraten profitieren kann.

 

„Wichtig ist es, investiert zu bleiben“

Institutionelle Investoren werden von einem sich verändernden Zinsumfeld stark gefordert. Was sind beim Fixed Income die aktuellen Handlungsoptionen für Depot-A-Anleger? Lesen Sie hier die Fortsetzung unseres digitalen Roundtables mit Bernhard Kraus, Christian Kopf und Guido Elbrecht.

Rentenallokation nach der Zinswende

Guido Elbrecht: Können wir jetzt schon sagen, wie hoch die Gefahr ist, dass wir in einem Umfeld nahe der Rezession auch wieder eine deutliche Abschwächung sehen werden? Und wäre dann jetzt nicht der Zeitpunkt zu sagen, okay, man lädt sich das aktuelle Renditeniveau rein?

Christian Kopf: Wir denken tatsächlich, dass der Euroraum in den nächsten Monaten in eine Rezession abgleitet. Und wir halten es auch für wahrscheinlich, dass die EZB ihren Zinszyklus bereits im Dezember 2022 beenden wird, bei einem Einlagensatz der Zentralbanken im Euroraum von 2,0 Prozent. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass es im Frühjahr 2023 noch weitere Leitzinserhöhungen geben wird, doch die sind vom Markt bereits eingepreist. Insofern finde ich die gegenwärtigen Renditeniveaus schon sehr attraktiv. Im Vordergrund steht dabei für mich allerdings die laufende Verzinsung und nicht der mögliche Kursgewinn durch einen Renditeverfall. Die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB ihre Leitzinsen aufgrund einer Rezession wieder senkt, ist nicht sehr hoch.

Ich glaube, wir müssen uns auf ein dauerhaft höheres Niveau der Nominalzinsen einstellen. Der Grund dafür ist, dass die Inflation so schnell nicht wieder herunterkommen wird. Das bedeutet, dass es wenig Spielraum für stark fallende Leitzinsen gibt. Wir erwarten bei der Inflation eine gewisse Plateaubildung auf einem sehr hohen Niveau und danach erst einen langsamen Rückgang. Deswegen denke ich, dass die Zinserhöhungen der EZB nicht so schnell zurückgenommen werden. Deshalb dürften die Renditen am Rentenmarkt eher so verharren, allerdings auch kaum weiter ansteigen.

Christian Kopf

Bernhard Kraus: Wer sich das Risikobudget leisten kann, der sollte also eher versuchen, die Bestände zu halten. Ob man abschreibt und dann flexibel in der Entscheidung ist, oder ob man vielleicht die Möglichkeit hat, nach dem gemeldeten Verfahren zu bilanzieren. Das ist eine Einzelfallentscheidung, die jede Bank individuell für sich beantworten kann. Dabei können wir die Banken auch begleiten.

Die zweite Ebene ist, dass die Banken ja aus der Regulatorik heraus verpflichtet sind, eine gewisse Liquidität in liquiden Aktiva vorzuhalten. Und die soll idealerweise eben nicht in Termin- und Tagesgeld allokiert sein, sondern in Instrumenten mit hochliquider Eins-a-Bonität, sogenannter LCR-Ware. Und da stellt sich auch die Frage, wie gehe ich jetzt vor? Der Treasurer ist weiterhin verpflichtet, einen gewissen Anteil seiner Liquidität regulatorisch gebunden in hoch qualifizierte Risikoaktiva zu investieren. Macht es jetzt Sinn zu sagen, ich nehme lieber die kleine Geldmarktrendite, die ich da einfahren kann? Oder macht es nicht mehr Sinn, wenn wir schon dieses Erholungspotenzial aus dem Bestand sehen, bewusst eine strategische Allokation von hoch qualifizierten Anleihen mit kürzerer Duration aufzubauen, um von potenziellen Erhöhungen partizipieren zu können?

Christian Kopf: Es gibt ja nicht nur diese beiden Optionen Abschreibung oder Umwidmung. Es gibt ja auch eine dritte Option, und das ist die Kapitalaufnahme. Ich glaube, was hier gerade passiert, ist eine Verwerfung von historischem Ausmaß – das ist der höchste Inflationsanstieg seit den 1950er Jahren und der schnellste Anstieg der Leitzinsen seit den 1970er Jahren. Und meine Empfehlung an die Treasurer wäre, dass sie jetzt nicht denken, sie müssten die damit verbundenen Herausforderungen ganz allein lösen.

Ich denke, es wird in den Gremien ein Verständnis dafür geben, dass hier gerade etwas Entscheidendes passiert. Und manchmal kommt der Punkt, wo es ökonomisch sinnvoll ist, sich die Bilanz in der Gänze anzuschauen. Ich persönlich halte die Ausgabe neuer Geschäftsanteile durch Banken im genossenschaftlichen FinanzVerbund, die wir derzeit vereinzelt schon beobachten, für den richtigen Schritt angesichts dieser Lage.

Die zweite Frage ist, wie soll man sein LCR-Geld anlegen? Wir sehen derzeit in den superliquiden Dreifach-A-Papieren enorme Kursschwankungen. Zum Beispiel notierten die zweijährigen Bundesschatzanweisungen Anfang August bei einer Rendite von 0,4 Prozent. Ende August hatten wir dann eine Rendite von 1,1 Prozent, nicht mal einen Monat später. Und Anfang Oktober stehen diese Papiere bei 1,6 Prozent. Wahnsinn, was da passiert. Ich finde nicht, dass Anleger für dieses Zinsänderungsrisiko ausreichend kompensiert werden, wenn sie in solch einen Kontrakt reingehen, der heute hier und morgen dort stehen kann und abgesehen davon auch nicht sonderlich viel abwirft. Ich würde eher Anleihen von guter Bonität nehmen mit einer gewissen Restlaufzeit und die runterlaufen lassen bis zur Endfälligkeit. Meine Empfehlung wäre schon, das als eine Chance zu begreifen, was da am Markt passiert.

Guido Elbrecht: Das ist ein Stück weit auch die Strategie, die wir in unseren LCR-Fonds umsetzen. Wir schauen sehr genau hin, wo wir Renditebringer beimischen können, die zum einen die regulatorischen Anforderungen erfüllen und zum anderen einen besseren Ertrag ermöglichen als etwa die klassische Bundesanleihe. Das zeigt, bei der Volatilität und bei der tatsächlichen Breite ist aktives Management wichtiger denn je. Und deswegen sind wir in unseren LCR-Portfolios beispielsweise in der Lage, sowohl die Roll-down-Effekte zu nutzen als auch uns vernünftig und professionell auf der Kurve zu positionieren.

Bernhard Kraus: Jetzt haben wir auf der einen Seite Kunden, die Handlungsfähigkeit bewahrt haben und die sich durchaus strategisch und taktisch positionieren können. Es gibt aber auch Investoren, die haben ein geschwächtes Risikobudget und müssen trotzdem am Zinsmarkt anlegen. Eine Möglichkeit wäre, sehr kurz zu bleiben oder in variable verbindliche Anlagen zu gehen. Wie schätzen Sie das ein, Herr Kopf?

Bernhard Kraus

Christian Kopf: Die Floater sind natürlich attraktiv in diesem Umfeld. Wir wissen nicht, wie weit die EZB ihre Leitzinsen erhöhen wird, aber jedes Mal, wenn es zu einer Zinserhöhung kommt, habe ich mit Floatern rasch einen höheren Kupon. Deswegen kaufen wir für unsere geldmarktnahen Fonds auch sehr viele Floater. Aber das ist gar nicht mal so einfach. Wenn jetzt jemand morgens aufwacht und sagt, ich möchte gern ein Buch mit Pfandbriefen vollpacken oder mir ein paar schöne Floater kaufen, dann wird sie oder er bald feststellen: Der Sekundärmarkt gibt das nicht so einfach her.

Selbst die Händler an unserem Trading Desk können uns nicht plötzlich riesige Mengen an Floatern beschaffen – und wir sind für unsere Marktkontrahenten ein Platin-Account. Deshalb würde ich ehrlich gesagt eher einen Fonds kaufen, um in Gleitzinsanleihen umzuschichten.

Bernhard Kraus: Wenn man mal von der Anlageseite die Refinanzierungsseite betrachtet, ist ein Indikator dafür, wie sich so das Risikomaß bei den Kreditinstituten verändert, auch der Swapspread. Hier hat sich in den vergangenen Wochen auch einiges getan, wie ist denn da die Einschätzung?

Christian Kopf: Wir haben vor allem große Verwerfungen am langen Ende der Swapkurve gesehen. Das hatten wir zuletzt im Jahr 2008, während der Hochphase der Finanzmarktkrise. Woher kommen diese riesigen Mehrrenditen von Zinsswaps über deutsche Bundesanleihen? Im zehnjährigen Bereich dürften vor allem Banken und große Unternehmenskunden den Markt für Absicherungsgeschäfte nutzen. Dieser Laufzeitenbereich ist liquide und hilft Ihnen, schnell Ihre Duration runterzufahren. Am ganz langen Ende der Swapkurve, im 30-jährigen Bereich, haben wir es eher mit Lebensversicherern und Pensionskassen zu tun, die Swap-Overlays vornehmen. Dort gibt es immer Interesse, auch Receiver-Swaps einzugehen. Und so erklärt sich auch diese Inversion – zehnjährige Zinsswaps handeln Anfang Oktober bei 2,9 Prozent und 30-jährige Swaps nur bei 2,3 Prozent.

Die meisten Leute, mit denen ich rede, verstehen nicht ganz, warum sich die Swapspreads im Euroraum so ausgeweitet haben. Es liegt wohl vor allem daran, dass Kreditinstitute im Euroraum in großem Umfang und relativ schnell ihre Zinsrisiken abgesichert haben. Ich glaube, das ist wirklich eine Marktverwerfung, die auf ein kurzfristiges Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage in diesen Zinsswaps zurückzuführen ist. Und es führt auch dazu, dass wir jetzt wieder attraktive Niveaus bei Pfandbriefen haben, was lange Zeit nicht der Fall war.

Guido Elbrecht: Das sehe ich auch so. Es gibt sehr deutliche Hinweise darauf, dass der Markt hier durch die bankseitige Nachfrage getrieben ist.

Bernhard Kraus: Wir haben jetzt bereits die Erfordernisse des neuen Zinsumfelds aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachtet. Was ist denn mit Anlegern, die das Thema LCR-Ware gut abgedeckt haben, die aber trotzdem noch im Zinsbereich investieren, weil sie aufgrund von Risikobudgets vielleicht in andere Risiko-Assets und Kreditrisiken momentan gar nicht so groß investieren können oder möchten? Was wäre denn dann die Next-best-Solution?

Christian Kopf: In diesem Fall könnten Verbriefungen im High-Grade-Bereich infrage kommen. Diese haben den Vorteil, dass man einen sehr attraktiven Bonitätsspread vereinnahmen kann, in Verbindung mit einem sehr geringen Zinsänderungsrisiko und einer geringen Eigenkapitalbelastung.

Bernhard Kraus: Wir kommen zum Ende unseres Gesprächs. Was kann man zusammenfassend festhalten?

Guido Elbrecht: Wir gehen davon aus, dass die Inflation längerfristig auf einem höheren Niveau bleiben wird. Wir gehen davon aus, dass auch das Zinsniveau mittel- bis längerfristig auf einem deutlich höheren Niveau bleiben wird. Wir gehen außerdem davon aus, dass eine Rezession wahrscheinlicher wird. Diese wird aber nicht dazu führen, dass die Notenbanken das Zinsniveau wieder auf die ganz tiefen Niveaus senken werden.

Bernhard Kraus: Was wären in diesem Umfeld die wichtigsten Handlungsoptionen für Depot-A-Anleger im Rentenbereich?

Guido Elbrecht: Wichtig ist es, investiert zu bleiben. Realisieren Sie nicht voreilig Verluste bei ordentlichen Qualitäten. Gehen Sie transparent in Gespräche mit Ihren Gremien und Ihren Experten. Wer es sich leisten kann, der sollte investieren. Wo die Budgets eng sind, sind unter Umständen kurzfristig orientierte und variabel verbindliche Konzepte durchaus eine Überlegung wert, so etwa Fonds, die einen hohen Floater-Anteil beinhalten. Fonds eignen sich hierbei besonders, da Floater am Sekundärmarkt kaum verfügbar sind und da es ansonsten kaum noch einen Zugang zu diesen Instrumenten gibt. Wer noch einen Schritt weitergehen möchte, kann sich risikoarme Verbriefungen anschauen, auch dort lassen sich attraktive Renditeaufschläge vereinnahmen.

Und was ich betonen möchte, in diesem historisch außergewöhnlichen hochvolatilen Umfeld ist es ratsam, sich mit professionell und aktiv gemanagten Lösungen auseinanderzusetzen. Renteninvestments sind seit der Zinswende auf jeden Fall ein Bereich, in dem aktives Management einen riesigen Bedeutungszuwachs erlebt hat.

Guido Elbrecht

Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
10. Oktober 2022, soweit nicht anders angegeben.

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