Neues Gesetz sorgt für höheren Frauenanteil
Vorstandsetagen werden diverser
- Regelung verlangt nach (mehr) Frauen in Vorständen
- Diversität wird auch am Kapitalmarkt stärker beachtet
- Strategische Nachfolgeplanung deshalb unerlässlich
- Analyse ermittelt Unternehmen, die durch Passivität auffallen
Druck pro Diversität in Vorständen steigt
Bereits seit über einem halben Jahr ist für bestimmte börsennotierte Unternehmen in Deutschland klar: Wer bis August 2022 seinen Vorstand nicht divers besetzt hat, kann im Zuge einer gesetzlichen Neuregelung ein Problem bekommen. Doch noch immer gibt es viele Firmen, deren Führung ausschließlich aus Männern besteht. Nicht nur für die Unternehmen selbst, auch für Investoren ist dies ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Denn Unternehmen, die beim Thema diversere Vorstandsbesetzung ihre Hausaufgaben nicht machen, dürften auch am Kapitalmarkt in Zukunft kritischer gesehen werden.
Neue Gesetzeslage unterstützt Veränderungen auf Vorstandsebene
Basis der neuen gesetzlichen Regelung ist das seit August 2021 geltende Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II).1 Allerdings besteht eine Übergangsfrist bis 1. August 2022 (§ 26I Abs. 1 EGAktG2) hinsichtlich der Umsetzung der wohl wichtigsten Regelung: Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mindestens vier Vorstandsmitgliedern müssen bei Neubesetzungen des Vorstands darauf achten, dass die Geschlechter Mann und Frau mindestens einmal vertreten sind.
Vermeidungsstrategien am Kapitalmarkt unerwünscht
Das Beispiel des SDAX-Unternehmens Deutz machte vor einigen Wochen deutlich, wie sinnvoll es ist, die neue Besetzungsanforderung in die langfristige Nachfolgeplanung für den Vorstand zu integrieren. Bei Deutz wurden angebliche Ideen des Aufsichtsrats bekannt, wie man die Teilhaberegelung umgehen könnte: Durch die Verkleinerung des Vorstands auf drei Personen – ein Mitglied wäre dann in die Rolle eines Generalbevollmächtigten gewechselt – oder durch vorzeitige Vertragsverlängerungen bestehender Vorstandsmitglieder. Auch wenn dies wohl nur eines der umstrittenen Themen in der Führungsspitze des Unternehmens war – am Ende musste der Vorstandsvorsitzende den Hut nehmen und der Aufsichtsratsvorsitzende trat in die zweite Reihe des Kontrollorgans zurück. Der Streit sorgte auch am Kapitalmarkt für Aufmerksamkeit und hatte deutlich negative Auswirkungen auf die Aktienkursentwicklung. Der Fall Deutz zeigt, dass Diversität bei der Nachfolgeplanung, wenn nicht aus Überzeugungsgründen, dann zumindest aus Gründen des Risikomanagements berücksichtigt werden sollte.
Untersuchung weist auf Anpassungsbedarf bei Unternehmen hin
Doch wie sieht es bei anderen, möglicherweise ebenfalls betroffenen Unternehmen aus? Als Grundlage der Untersuchung diente der Women-on-Board-Index 66 I, der die Diversität in den 66 börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen Deutschlands mit mindestens vier Vorstandsmitgliedern beurteilt.3 Analysten von Union Investment haben in dieser Gruppe speziell diejenigen 24 Unternehmen untersucht, die von der Teilhaberegelung im Vorstand betroffen sind und diese bis März 2021 noch nicht eingehalten hatten. Bei der Analyse wurde verglichen, welche Maßnahmen die Unternehmen seitdem ergriffen haben, um die Regelung zu erfüllen. Die Ergebnisse zu den analysierten Unternehmen lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen:
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Fünf Unternehmen (in der Grafik links) haben im Betrachtungszeitraum ihren Vorstand auf drei Männer verkleinert. Hierzu zählen mit der jetzigen Besetzung neben Deutz auch Aurubis, BAUER, Rheinmetall sowie Symrise, die ihren Vorstand seit April 2021 übergangsweise von fünf auf drei Mitglieder verringert haben.4 Die Beweggründe für die Neuaufstellung der Vorstände dieser Unternehmen sind dabei nicht abschließend und eindeutig zu beurteilen
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Im Unterschied dazu kamen sieben Unternehmen der Regelung nach und haben mittlerweile eine Frau im Vorstand (mittlerer Block in der Grafik)
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Die andere Hälfte der untersuchten Unternehmen (in der Grafik rechts) hat bislang keine der beiden Maßnahmen gewählt5
Abbildung 1: Nicht alle Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht

Ein anderer Ansatz im Umgang mit der Regelung kann sein, die bestehenden (männlichen) Vorstandsmitglieder vor Ablauf der Übergangsfrist für einen langen Zeitraum wieder zu bestellen. Allerdings birgt diese – zeitlich begrenzt mögliche – Vermeidungsstrategie auch Risiken: Wenn in diesem Falle nach Ablauf der Übergangsfrist im August 2022 ein Vorstandsposten – egal ob
kurzfristig oder geplant – frei wird, kommt nur eine weibliche Nachbesetzung in Frage. Es empfiehlt sich deshalb für betroffene Unternehmen eine Longlist potenzieller Kandidatinnen für die Neubesetzung zur Hand zu haben. Denn solange keine geeignete Frau gefunden wird, bleibt der Vorstandsposten unbesetzt (§ 76 Abs. 3a AktG).6 Eine langfristig und divers ausgerichtete Nachfolgeplanung von Vorständen ist aus diesen Gründen geboten und hilft, ein mögliches Management-Vakuum zu vermeiden.
Abseits der Teilhaberegelung stellt sich zudem vor allem bei großen Vorständen mit nur einer Frau grundsätzlich die Frage, ob die Aufsichtsräte eine ausgewogene Besetzung der Vorstandsposten ambitioniert genug verfolgen. So ist zum Beispiel bei HeidelbergCement nur eines von neun Vorstandsmitgliedern weiblich.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassend zeigt sich: Bei der ausgewogenen und diversen Besetzung von Vorstandsposten besteht nach wie vor Verbesserungspotenzial. Die in diesem Zusammenhang neue gesetzliche Regelung ist dafür ein Baustein, der diese Entwicklung unterstützt. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie auf die sich ergebenden Veränderungen und Anforderungen vorbereitet sein müssen. Durch eine strategische und divers ausgerichtete Nachfolgeplanung fällt es ihnen leichter, ein mögliches Management-Vakuum zu verhindern, operationelle Risiken zu minimieren und ungewollte Kapitalmarktirritationen zu vermeiden. Ein probates Mittel, um bei der Nachfolgeplanung im Vorstand auf eine kompetente Auswahl an Personen zurückgreifen zu können, ist die vorausschauende interne Talentförderung und -bindung – gerade auch von weiblichen Kandidaten. Als nachhaltiger Investor achtet Union Investment deshalb bei der Nachhaltigkeitsbeurteilung von Unternehmen neben der Besetzung im Vorstand auch auf die Diversität in der ersten und zweiten Managementebene unterhalb des Vorstands. Bildlich gesprochen gilt für die (interne) Vorstandsbesetzung und eine erfolgreiche Nachfolgeplanung: Nur wer sät und regelmäßig gießt, kann auch ernten.
- 1 Siehe dazu auch die weiteren Erläuterungen zum FüPoG II: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/zweites-fuehrungspositionengesetz-fuepog-2-164226
- 2 Zur Gestaltung der Übergangsfrist siehe folgende Regelung: https://www.gesetze-im-internet.de/aktgeg/__26l.html
- 3 Siehe dazu die komplette Studie zum Woman-on Board-Index von Frauen in die Aufsichtsräte e. V. (FidAR): https://wob-index.de/pwob.html
- 4 Siehe dazu die Pressemitteilung von Symrise aus dem letzten Jahr, in der auch die eingeleitete Suche nach einem vierten Vorstandsmitglied angekündigt wurde: https://www.symrise.com/de/newsroom/artikel/veraenderungen-im-vorstand-der-symrise-ag-zum-1-april-2021/
- 5 Ab Mai 2022 wird bei der Talanx AG eine Frau in den Vorstand einziehen. Ab diesem Zeitpunkt wäre das Unternehmen dann nicht mehr in diesem Block enthalten.
- 6 Siehe dazu auch den gesamten Gesetzestext: https://www.gesetze-im-internet.de/aktg/__76.html
Autoren:
Kristina Kern, Mathias Christmann
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen:
22. März 2022, soweit nicht anders angegeben.